Arsen &
Spitzenhäubchen |
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Südpfalzkurier, 27. April 2016 |
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Morden als Gesellschaftsspiel Die Brewster-Familie hat den Weg vom
Broadway nach Bad Bergzabern geschafft Berthold
Blaes inszeniert Joseph Kesselrings skurrile Komödie Arsen und Spitzenhäubchen mit der Theater AG des
Gymnasiums und lässt dabei die Leichtigkeit der Komödie ebenso aufblitzen wie die dunkle Seite dieser
durch und durch
doppelbödigen Satire.
Wenn sich der Vorhang öffnet, locken uns bekannt-unbekannte Klänge (Myriam Alter: Was it
there), zu einer Reise in die irre Welt der Brewster-Familie. Auf der Bühne lädt eine mit rotem Samt
dekorierte Truhe sowie ein Teetischchen zum Verweilen ein. Ein auf den ersten Blick aufgeräumt
gemütliches Zuhause, das allerdings nach außen durch schwarze Wände abgeschirmt ist und somit Dunkles
erahnen lässt. Zwei Treppen
weisen den Weg in weitere Stockwerke dieser gutbürgerlichen Wohnwelt. Hier kann vor allem der
geisteskranke Neffe Teddy (Nam Nguyen), den die Brewster-Schwestern Abby und Martha fürsorglich in ihre
Obhut genommen haben, seine
Fantasie als Präsident Roosevelt und damit Oberbefehlshaber austoben und Fanfaren zur Attacke blasen.
Über einen schmalen Gang am rechten Bühnenrand gelangen die Brewsters in ihren Keller, den eigentlichen
Mittelpunkt ihres Lebens.
Denn in ihrem Leben dreht sich alles um den Tod. Abby und Martha glauben an eine Erlösung,
freilich nicht für sich selbst, sondern vor allem für betagte einsame Herren, die sie als Gäste mit
ihrem selbstgebrauten
arsengewürzten Holunderwein bewirten, um sie aus purer Nächstenliebe ins Jenseits befördern. Wenn Abby
(Sarah Forbat) gekonnt im Rundum-Sorglos-Plauderton frohlockt und ihren Gästen ihre mörderischen
Wohltätigkeiten anpreist,
sind alle von der Polizei über den Pfarrer bis zum Zuschauer - glaubhaft versichert, dass
sie nichts Böses im Sinn hat bzw. haben kann. Dazu ist sie einfach zu großzügig und vornehm. Auch ihre
Schwester Martha (Lara
Abele) strahlt diese Aura aus: grazil legt sie ihren blutroten Mantel ab, bevor sie mit anmutigen
Bewegungen dem Gast ein Gläschen vom Holunderwein anbietet. Ganz nebenbei erzählt sie von den
glücklichen Gästen, denen man auch eine
ehrwürdige Trauerfeier zuteilwerden lässt, bevor sie als Leichen im Keller landen.
Eine Art Kellerfenster wir sehen ein Schattenspiel - zeichnet uns einen vagen Einblick in
die Tiefen dieser Unterwelt: Wo der
verrückte Neffe Teddy glaubt, den Panama-Kanal zu graben, können Abby und Martha bequem die vielen
Leichen entsorgen, die ihre Wohltätigkeit hinterlässt. Dieses barmherzige Treiben wird jedoch
gestört, als Mortimer, ein
weiterer Neffe (Ujiol Teichmann), eine noch nicht bestattete Leiche in der roten Truhe im Wohnzimmer
entdeckt. Sein langweiliges Leben als gefrusteter Theaterkritiker, das gerade in geordnete Ehebahnen
münden sollte, beginnt
Fahrt aufzunehmen. Statt sich mit seiner frisch verlobten Elaine, die von Jamina von Fragstein
authentisch als Girlie verkörpert wird, zu amüsieren, muss er diese immer wieder zurück ins
Nachbarhaus zu ihrem Vater
schicken, um sie vor den unglaublichen Entdeckungen im heimischen Wohnzimmer zu schützen.
Eine spieltechnisch besonders gelungene Szene stellt Mortimers beherzter Eingriff in einen
weiteren Mordversuch der
Tanten dar: Mr. Gibbs (ebenfalls Nam Nguyen), der im Hause Brewster ein Zimmer beziehen möchte, entgeht
nur knapp dem Tode. Hier überzeugt das noch junge Duo (Nam Nguyen und Ujiol Teichmann) durch ein
gekonntes Slow-Motion-Spiel,
das seine tragisch-komische Wirkung durch die klagenden Klarinettentöne (Myriam Alter: Sicily), voll
entfaltet.
Eigentlich ist Mortimer der einzig normale Brewster, aber gerade das lässt ihn umso tiefer in den Abgrund
fallen, aus
dem er sich erst am Ende befreien wird. Als lustloser Theaterkritiker würzt er dieses skurrile
Kabinettstück immer wieder mit scharfsinnigen Hintergedanken zum eigentlichen Wert des Theaters, eine
Hommage ans Theater, die dem
Intendanten Blaes wohl aus der Seele sprechen.
Das verrucht-verrückte Familienidyll droht völlig außer Kontrolle zu geraten, als
plötzlich der dritte Neffe Jonathan Brewster, den Larissa Rohde überzeugend als
echten Schurken gibt, in Begleitung des Schönheitschirurgen Dr. Einstein (Jana Mattes) auftaucht. Dieser
hat dafür gesorgt, dass Jonathan, der schon in seiner Kindheit kriminelle Züge trug und sich zum
Schwerverbrecher mauserte,
unbehelligt von der Polizei blieb, weil Dr. Einstein ihm stets ein neues Gesicht maßschneiderte. Jana
Mattes muss in dieser Rolle immer wieder zum Flachmann greifen, denn Dr. Einstein kann diese Welt nur
mit viel Alkohol betäuben.
Jonathan aber will jetzt in der Brewster-Familienvilla den Ton angeben, die Tanten sollen sich in ihre
Zimmer verziehen und Mortimer und Teddy beseitigt werden.
Die vermeintlich mildtätige Mordserie der Tanten trifft jetzt auf
echte Hardcoreverbrechen des Neffen und seines Compagnons. Der noch heimliche Kampf um den einzig
sicheren Ruheplatz im Keller bzw. Panamakanal beginnt. Doch dann geraten die beiden Mörderduos
in einen offenen
Wettstreit. Wer bietet mehr? Zwölf Morde oder dreizehn? Als deutlich wird, dass es sich bei der Leiche
des Männerduos um einen gewissen Mr. Spenalzo handelt, lässt Abby kurz ihre wahres Wesen
aufblitzen: Ein Ausländer,
ich wusste es! wirft sie gegen seine Bestattung im Keller ein.
Die Polizeitruppe - O Hara (Lea Böshans). Leutnant Rooney (Clarissa Söllner) und Brophy Paul
Jäger wirkt ebenso interessenlos an einer echten
Aufklärung der Verbrechen wie unfähig. Was nicht sein darf, kann nicht sein, so könnte man Leutnant
Rooneys Devise beschreiben. Nachdem er den flüchtigen Jonathan Brewster verhaftet und sich an einen
Komplizen erinnert, dessen
Beschreibung er sich telefonisch geben lässt, steht dieser direkt vor ihm und ist sich sicher, überführt
zu sein. Doch die ausgestreckten Hände Dr. Einsteins werden zum Gruß entgegen genommen. Anders liegen
die Dinge bei OHara,
der seine Talente eher im Schreiben von Theaterstücken sieht und seine Polizeitätigkeit als Quelle
eben dafür.
Die Groteske kommt nach so viel Fahrt erst zur Ruhe, als Mortimer von den munteren
Tanten
darüber aufgeklärt wird, dass er gar kein echter Brewster ist. Froh fliegt er nun in die Arme seiner
Elaine und verkündet: Hurra ich bin ein Bastard! Und nach so viel Wirbel endlich wieder unter sich,
können auch die frommen
Tanten einmal mehr ihrer Mordlust frönen, als der Leiter der Anstalt Zum guten Hirten, Mr.
Witherspoon (Daniel Schick,) sich auf ein Gläschen Holunderwein zu ihnen gesellt. Mit einem Tanz der
siegreichen Tanten (13:12!) auf
die Bachkantate Mein gläubiges Herze, Frohlocke, sing, scherze, Dein Jesus ist nah! Weg Jammer, weg
Klagen; Ich will euch nur sagen: Dein Jesus ist nah! (BWV 68) endet dieses Gesellschaftsspiel. Ein
Mordsspaß! Schaurig schön und
abgrundtief sinnig.
Das Premierenpublikum dankte der Theater AG mit großem Applaus, der Schulleiter Peter Allmann lobte die
große Schauspielkunst und forderte dazu auf, dies weiterzusagen.
Das tue ich gerne: Lachen Sie einfach mit!
Weitere Aufführungen in der Aula des Gymnasiums:
Do., 28.04.2016, 20 Uhr und Sa., 30.04.2016, 20 Uhr
Weitere Vorstellungen gibt die Theater AG im |
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Eleonore Beinghaus |
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