Wir über uns...

Im folgenden Brief hat dieTheater-AG  - auf Wunsch des
für die Leitung der Theatertage 1998 am Pfalztheater zuständigen Dramaturgen - ihr Selbstverständnis zur Darstellung gebracht.

Theater-AG der                                Bad Bergzabern,03.04.98
Koop. Gesamtschule
Berthold Blaes
 


An die
Dramaturgie des Pfalztheaters
z.Hd. Herrn Christian Fuchs
Fruchthallenstraße 24 - 26
67655 Kaiserslautern


Schultheatertage '95 des Pfalztheaters



Sehr geehrter Herr Fuchs,



In unserem ausführlichen Telefongespräch vom 03.04.95 hatte ich bereits Gelegenheit, Ihnen ein Bild unserer Theater-AG, ihres Selbstverständnisses und ihres Schaffens zu vermitteln:

Die Mitglieder der Theater-AG sind Schüler der Kooperativen Gesamtschule Bad Bergzabern (Alter der Akteure: 15 - 19 Jahre), und bringen ca. einmal pro Jahr ein Theaterstück zur Aufführung. Die Entscheidung für die Stücke treffen wir jeweils nach Neigung, Rollenangebot etc. gemeinsam.


Im Bemühen um Vielfalt erspielten wir bisher ein breites Spektrum von Stücken Ibsens (Der Volksfeind), Dürrenmatts (Der Besuch der alten Dame), Giraudoux' (Die Irre von Chaillot), Brechts (Leben des Galilei), Büchners (Leonce und Lena) bis hin zum unterhaltenden Genre à la Goetz (Das Haus in Montevideo) und Coward (Ich bin be-geistert), aber auch Jugendstücke wie Geifrigs "Bravo Girl!, zuletzt in Kooperation mit Chor und Band "Die Dreigroschenoper" von Bert Brecht.


Das enge freundschaftliche Verhältnis untereinander zeigt sich u.a. darin, daß auch nach Verlassen der Schule Verbundenheit und Engagement nicht aufhören: So erhielten wir z.B. von zwei ehemaligen Mitgliedern trotz entfernter Studienorte - sie sind nicht die einzigen, die mit ihrem Studium dem Genre treu blieben - Unterstützung durch ihre Hilfe bei Theaterworkshops (u.a. in Erfurt, wo wir bei unserer Partnerschule ein wenig 'Aufbauhilfe' leisten konnten) und bei unseren Inszenierungen. Ein weiterer 'Ehemaliger', heute Kunststudent, gestaltet die Plakate.


Charakteristisch war bisher für uns das Bemühen, mit sehr geringem technischem und finanziellen Aufwand (ca. 200-300 DM/Aufführung) auszukommen, 'aus der Not eine Tugend zu machen', d.h. uns um so mehr auf die eigentlichen Aussagen der Stücke zu konzentrieren und dabei dennoch eine ansprechende Wirkung zu erzielen.


Über unser Selbstverständnis gibt sicherlich am meisten der letztjährige Versuch Aufschluß,die "Dreigroschenoper" von Bertolt Brecht / Kurt Weill auf die Bühne zu bringen - übrigens mit rund 100 Chormitgliedern, die Volk und Milieu charakterisierten und die Zuschauer umschlossen, so daß diese sich mit Maceath gemeinsam im 'Gefängnis' fanden - eine Art 'Uraufführung':

Das Vorhaben erschien uns von besonderem Reiz, weil die "Dreigroschenoper" als unterhaltendes Musiktheater in geistreicher Weise und mit Witz, Einfachheit und Tiefgründigkeit, Unterhaltung und künstlerisch-ästhetischen Anspruch miteinander verknüpft: Wie notwendig in einer Zeit, da wir von einem Umfeld zunehmender Oberflächlichkeit, Vordergründigkeit, Effekthascherei und Show zugedeckt werden, die ihren Ausdruck in den mittlerweile zur alltäglichen, flachen Konsumware verkommenen Medienprodukten und Shows finden!


Welch einen Kontrast bietet da Brechts "Dreigroschenoper"! Nicht nur formal, sondern auch inhaltlich: Sie entlarvt mit den Weill'schen Songs, dem 'Gestus' der Personen und ihren hintergründigen Dialogen nicht nur das "Unechte" und die Vordergründigkeit jener Welt der Oper und Show, in ihr spiegeln sich in besonderer Weise die aktuellen gesellschaftlichen Probleme, die unsere individuellen Ängste und Unsicherheiten verursachen: Verfall der Werte, Verlogenheit, Gleichgültigkeit und Belanglosigkeit in den menschlichen Beziehungen, Kommunikationsschwäche, Rücksichtslosigkeit und Egoismus. Steckt hinter der geistlosen Anpassung / Nivellierung vielleicht unbewußt Methode, weil man den geistlos angepaßten, willfährigen Konsumenten braucht, der in unserer technisierten Welt auf Effekte und Werbe-Effekte reagieren soll?

Hier sehen wir die große Aufgabe des Theaters heute: mit seinen spezifischen ästhetischen Mitteln jener allgemeinen Entwicklung entgegenzuwirken.


Mit der Inszenierung des Stücks "Der Streit" von Marivaux - von uns im Sinne des Autors frei bearbeitet (s. Programm!) - wollen wir versuchen, diesem Ziel Rechnung zu tragen, indem wir Bühnenbild / -raum und Bühnengeschehen in abstrakten, originären, symbolhaltigen Bildern (auch choreographisch) gestalten wollen, entsprechend der originären Welt und Problematik des Stücks (s. Programm!). So können wir z.B.den ästhetischen Raum erweitern, indem wir die verschiedenen Personen (Rollen) - auch dann, wenn sie nicht 'dran' sind - ihre eigene 'Geschichte' neben dem Bühnenmittelpunkt/Dialog entwickeln lassen.
Die strenge Symmetrie und die Sprödigkeit des Textes sollen durchaus sinnvoll in die Inszenierung eingebunden werden.


Unsere Stücke:
 
   1995: Marivaux, Der Streit

   1996: Ionesco, Die Nashörner

   1997: Molière, Arzt wider Willen

   1998: Gombrowicz, Yvonne, Prinzessin von Burgund 

Für Ihr Vertrauen und Ihr Entgegenkommen möchte ich mich, auch im Namen der Theater-AG, herzlich bedanken. Wir freuen uns auf das Pfalztheater.




    Mit freundlichen Grüßen

        Berthold Blaes

 

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