Berthold Blaes
An die
Dramaturgie des Pfalztheaters
z.Hd. Herrn Christian Fuchs
Fruchthallenstraße 24 - 26
67655 Kaiserslautern
Schultheatertage '95 des Pfalztheaters
Sehr
geehrter Herr Fuchs,
In unserem ausführlichen Telefongespräch vom 03.04.95 hatte ich
bereits Gelegenheit, Ihnen ein Bild unserer Theater-AG, ihres Selbstverständnisses und ihres Schaffens
zu vermitteln:
Die Mitglieder der Theater-AG sind Schüler der Kooperativen Gesamtschule Bad Bergzabern (Alter
der
Akteure: 15 - 19 Jahre), und bringen ca. einmal pro Jahr ein Theaterstück zur Aufführung. Die
Entscheidung für die Stücke treffen wir jeweils nach Neigung, Rollenangebot etc. gemeinsam.
Im Bemühen um Vielfalt
erspielten wir bisher ein breites Spektrum von Stücken Ibsens (Der Volksfeind), Dürrenmatts (Der Besuch
der alten Dame), Giraudoux' (Die Irre von Chaillot), Brechts (Leben des Galilei), Büchners (Leonce und
Lena) bis hin zum
unterhaltenden Genre à la Goetz (Das Haus in Montevideo) und Coward (Ich bin be-geistert), aber auch
Jugendstücke wie Geifrigs "Bravo Girl!, zuletzt in Kooperation mit Chor und Band "Die
Dreigroschenoper" von Bert
Brecht.
Das enge freundschaftliche Verhältnis untereinander zeigt sich u.a. darin, daß auch nach
Verlassen der Schule Verbundenheit und Engagement nicht aufhören: So erhielten wir z.B. von zwei
ehemaligen
Mitgliedern trotz entfernter Studienorte - sie sind nicht die einzigen, die mit ihrem Studium dem Genre
treu blieben - Unterstützung durch ihre Hilfe bei Theaterworkshops (u.a. in Erfurt, wo wir bei unserer
Partnerschule ein wenig
'Aufbauhilfe' leisten konnten) und bei unseren Inszenierungen. Ein weiterer 'Ehemaliger', heute
Kunststudent, gestaltet die Plakate.
Charakteristisch war bisher für uns das Bemühen, mit sehr geringem technischem
und finanziellen Aufwand (ca. 200-300 DM/Aufführung) auszukommen, 'aus der Not eine Tugend zu machen',
d.h. uns um so mehr auf die eigentlichen Aussagen der Stücke zu konzentrieren und dabei dennoch eine
ansprechende Wirkung zu
erzielen.
Über unser Selbstverständnis gibt sicherlich am meisten der letztjährige Versuch
Aufschluß,die "Dreigroschenoper" von Bertolt Brecht / Kurt Weill auf die Bühne zu bringen -
übrigens mit rund 100
Chormitgliedern, die Volk und Milieu charakterisierten und die Zuschauer umschlossen, so daß diese sich
mit Maceath gemeinsam im 'Gefängnis' fanden - eine Art 'Uraufführung':
Das Vorhaben erschien uns
von besonderem Reiz,
weil die "Dreigroschenoper" als unterhaltendes Musiktheater in geistreicher Weise und mit
Witz, Einfachheit und Tiefgründigkeit, Unterhaltung und künstlerisch-ästhetischen Anspruch miteinander
verknüpft: Wie notwendig in
einer Zeit, da wir von einem Umfeld zunehmender Oberflächlichkeit, Vordergründigkeit, Effekthascherei
und Show zugedeckt werden, die ihren Ausdruck in den mittlerweile zur alltäglichen, flachen Konsumware
verkommenen
Medienprodukten und Shows finden!
Welch einen Kontrast bietet da Brechts "Dreigroschenoper"! Nicht nur formal,
sondern auch inhaltlich: Sie entlarvt mit den Weill'schen Songs, dem 'Gestus' der Personen
und ihren hintergründigen Dialogen nicht nur das "Unechte" und die Vordergründigkeit jener
Welt der Oper und Show, in ihr spiegeln sich in besonderer Weise die aktuellen gesellschaftlichen
Probleme, die unsere
individuellen Ängste und Unsicherheiten verursachen: Verfall der Werte, Verlogenheit, Gleichgültigkeit
und Belanglosigkeit in den menschlichen Beziehungen, Kommunikationsschwäche, Rücksichtslosigkeit und
Egoismus. Steckt hinter der
geistlosen Anpassung / Nivellierung vielleicht unbewußt Methode, weil man den geistlos angepaßten,
willfährigen Konsumenten braucht, der in unserer technisierten Welt auf Effekte und Werbe-Effekte
reagieren soll?
Hier
sehen wir die große Aufgabe des Theaters heute: mit seinen spezifischen ästhetischen Mitteln jener
allgemeinen Entwicklung entgegenzuwirken.
Mit der Inszenierung des Stücks "Der Streit" von Marivaux - von
uns im Sinne des Autors frei bearbeitet (s. Programm!) - wollen wir versuchen, diesem Ziel Rechnung zu
tragen, indem wir Bühnenbild / -raum und Bühnengeschehen in abstrakten, originären, symbolhaltigen
Bildern (auch
choreographisch) gestalten wollen, entsprechend der originären Welt und Problematik des Stücks (s.
Programm!). So können wir z.B.den ästhetischen Raum erweitern, indem wir die verschiedenen Personen
(Rollen) - auch dann, wenn sie
nicht 'dran' sind - ihre eigene 'Geschichte' neben dem Bühnenmittelpunkt/Dialog entwickeln lassen.
Die
strenge Symmetrie und die Sprödigkeit des Textes sollen durchaus sinnvoll in die Inszenierung
eingebunden werden.
Unsere Stücke:
1995: Marivaux, Der Streit
1996: Ionesco, Die Nashörner
1997: Molière, Arzt wider Willen
1998: Gombrowicz, Yvonne, Prinzessin von Burgund
Für Ihr Vertrauen und Ihr
Entgegenkommen möchte ich mich, auch im Namen der Theater-AG, herzlich bedanken. Wir freuen uns auf das
Pfalztheater.
Mit freundlichen Grüßen